Fabian oder Der Gang vor die Hunde

von Erich Kästner
in einer Fassung von Frank Castorf
Bertolt-Brecht-Platz 1
10117 Berlin
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Berlin am Vorabend der Machtergreifung Hitlers, die Metropole taumelt auf ihren Untergang zu. Fabian irrt als melancholischer, humorvoller Beobachter durch den sich bis zur Bewusstlosigkeit amüsierenden Moloch. Kästner, dessen Bücher von den Nationalsozialisten verbrannt wurden, schrieb 1950 über seinen zensierten Roman Fabian, der erst 2013 in seiner Urfassung erschien: "Heute sind bereits neue, genauer, sehr alte Mächte fanatisch dabei, wieder standardisierte Meinungen (…) zu verbreiten. Noch wissen viele nicht, viele nicht mehr, dass man sich Urteile selber bilden kann und sollte. Der Roman 'Der Gang vor die Hunde' wollte vor dem Abgrund warnen, dem sich Deutschland und damit Europa näherten!"

Berlin am Vorabend der Machtergreifung Hitlers, die Metropole taumelt auf ihren Untergang zu. Jakob Fabian, Germanist aus Dresden, irrt als melancholischer Beobachter durch den sich bis zur Bewusstlosigkeit amüsierenden Moloch. Seine Stelle als Werbetexter verliert er just in dem Moment, als er sich in die angehende Filmschauspielerin Cornelia Battenberg verliebt. Diese jedoch kämpft um ihre Karriere inklusive sexueller Verfügbarkeit für ihren Produzenten Makart. Seinen besten Freund Stephan Labude verliert Fabian, weil dieser – aufgrund eines absurden Missverständnisses betreffend seiner Habilitation über Lessing und zudem lebensmüde aus Liebeskummer –Selbstmord begeht. Sein eigenes Leben verliert Fabian, als er ein vermeintlich ertrinkendes Kind retten will, obwohl er selbst nicht schwimmen kann. Das Kind schwimmt ans Ufer während Fabian ertrinkt. "Fabian – Die Geschichte eines Moralisten" erschien unter Aussparung einiger politisch und sexuell provokanter Passagen im Jahr 1931. Kästners zäh verteidigter Titel "Der Gang vor die Hunde" wurde vom Verlag abgelehnt. Am 10. Mai 1933 war das Buch eines von Abertausenden, welches mitten in Berlin auf dem Opernplatz von Nationalsozialist*innen verbrannt wurde. Kästner persönlich wurde Zeuge dieses Scheiterhaufens, mit der geballten Faust in der Tasche.
Erst 2013 erschien der Berlin-Roman in seiner Urfassung unter dem Originaltitel "Der Gang vor die Hunde". 

Kästner selbst schrieb, sein Buch habe keine Handlung: "Außer einer, mit zweihundertsiebzig Mark im Monat dotierten Anstellung geht nichts verloren. Keine Brieftasche, kein Perlenkollier, kein Gedächtnis, oder was sonst im Anfang von Geschichten verloren geht und im letzten Kapitel, zur allgemeinen Befriedigung, wiedergefunden wird. Es wird nichts wiedergefunden. Es treten wichtige Personen auf und verschwinden vor der Zeit. Es kommen unwichtige Leute daher und kehren mit einer Heftigkeit, die ihnen gar nicht zukommt, immer wieder. Ein junger Mann erschießt sich. Ein anderer junger Mann ertrinkt. Und beide Todesfälle sind äußerlich so wenig gerechtfertigt, beide Herren kommen derartig aus Versehen ums Leben, dass man fragen könnte: Gab es denn keine zwingenderen Anlässe? Warum versagte der Autor ihrem Tod die Notwendigkeit? Man könnte beinahe vermuten, es handle sich um eine Absicht. Die Dummheit dessen, was geschieht, nimmt, vom zunehmenden Tempo des Geschehens angeregt, imposante Ausmaße an. Jeder Tag ist für den, der ihn erlebt, eine Reise im verkehrten Zug ans falsche Ziel. Die Vernunft geht ins Exil. Der verworrene Zustand und der ratlose Mensch bleiben übrig. Das Buch hat keine Handlung und keinen architektonischen Aufbau und keine sinngemäß verteilten Akzente und keinen befriedigenden Schluss. Man vermutet richtig, ob man es nun für richtig hält oder nicht: Es war so die Absicht!"

Im Gegensatz zu den meisten seiner regimekritischen Kolleg*innen emigrierte Kästner nach der NS-Machtergreifung 1933 nicht. Aufgrund seines Publikationsverbots schrieb er Drehbücher für die UFA unter dem Pseudonym Berthold Bürger – in Verehrung Bertolt Brechts. Als Kinderbuchautor blieb er auch nach dem Zweiten Weltkrieg äußerst erfolgreich.

Walter Benjamin kritisierte 1931 in seinem Essay "Linke Melancholie" Kästners Popularität aufs Schärfste:
"Dieser Dichter ist unzufrieden, ja schwermütig. Seine Schwermut kommt aber aus Routine. Denn das ist das Neue an dieser Sachlichkeit, dass sie auf die Spuren einstiger Geistesgüter sich soviel zugute tut wie der Bürger auf die seiner materiellen. Nie hat man in einer ungemütlichen Situation sich’s gemütlicher eingerichtet. Kurz, dieser linke Radikalismus ist genau diejenige Haltung, der überhaupt keine politische Aktion mehr entspricht. Er steht links nicht von dieser oder jener Richtung, sondern ganz einfach links vom Möglichen überhaupt. Denn er hat ja von vornherein nichts anderes im Auge als in negativistischer Ruhe sich selbst zu genießen. Die Verwandlung des politischen Kampfes aus einem Zwang zur Entscheidung in einen Gegenstand des Vergnügens, aus einem Produktionsmittel in einen Konsumartikel – das ist der letzte Schlager dieser Literatur. Kästner, der eine große Begabung ist, beherrscht ihre sämtlichen Mittel mit Meisterschaft."

Frank Castorf assoziiert in seiner Inszenierung zu Kästners Biografie "Peter Schlemihls wundersame Geschichte" von Adelbert von Chamisso. Schlemihl lässt sich auf einen verhängnisvollen Handel ein, er verkauft seinen eigenen Schatten an einen seltsamen grauen Mann für ein "Glückssäckel", der unendlich viele Goldstücke produziert.

von Amely Joana Haag

  • Frank Castorf Regie
  • Aleksandar Denić Bühne
  • Adriana Braga Peretzki Kostüme
  • William Minke Sounddesign
  • Ulrich Eh Licht
  • Jens Crull, Andreas Deinert Videokonzeption
  • Amely Joana Haag Dramaturgie
  • Sebastian Klink Künstlerische Produktionsleitung
  • Andreas Deinert, Kathrin Krottenthaler Live-Kamera
  • Jonathan Bruns, Florian Hampel Tonangel
  • Jens Crull, Maryvonne Riedelsheimer Live-Schnitt

Digitales Magazin

Trailer

Pressestimmen

"Man bewundert über Stunden hin den Fieberschweiß, die komischen Verrenkungen und die Lust von Schauspielerinnen und Schauspielern, die offenbar gewillt sind, sich möglichst bis auf den letzten Energierest zu verausgaben."Spiegel Online

"Eine fulminante, bildstarke Inszenierung!"3sat

"Den Frauen gehört das Schlussbild dieses Abends, der beglückend ist, zumutend, ambivalent, auch hermetisch, voller Fragezeichen und im Fabian’schen Misstrauen dann doch bei sich: dass die herbeigesehnten Normalmenschen gar nicht wünschenswert sind."taz

"Große Schauspielkunst!"rbb24

"Wie eigentlich immer beim späten Frank Castorf stellt sich auch dieses Mal die Frage, was das Viele, Lange und Laute kann, bevor alles endgültig zu viel, zu lang und zu laut wird. Beim 'Fabian' am Berliner Ensemble lautet die Antwort: Eine ganze Menge."Nachtkritik.de

"Frank Castorf erzählt eine düstere Version, die es schafft, die Armut, das Elend der Menschenmassen der zwanziger Jahre, die großbürgerliche Kälte in den Vordergrund zu rücken und doch ganz im Hier und Jetzt zu sein."taz

"Spielrealitäten, persönliche und politische Übertragung greifen magisch ineinander."Berliner Zeitung

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