BE Selbstbezichtigung Stefanie Reinsperger

© Ulrike Rindermann / Volkstheater Wien

Selbstbezichtigung

von Peter Handke
Bertolt-Brecht-Platz 1
10117 Berlin
Kontakt & Anfahrt

Theaterkasse

+49 30 284 08 155
theaterkasse@berliner-ensemble.de

Spielplan-Update: Bitte beachten Sie den aktualisierten Spielplan bis einschließlich 31. Mai. Der Vorverkauf für alle Vorstellungen bis 3. Juni 2024 läuft! Unsere Theaterkasse hat montags bis samstags von 10.00 Uhr bis 18.30 Uhr für Sie geöffnet.

Aktuell keine Termine

"Ich bin geboren worden. Ich bin in das Geburtenregister eingetragen worden. Ich bin älter geworden." Was so unschuldig beginnt, ändert sich plötzlich: "Ich bin verantwortlich geworden. Ich bin schuldig geworden." Ein Start in die Auseinandersetzung mit höheren und niedrigeren Ordnungsmächten. Handkes vergnügliche wie bittere Sprachkritik entstand vor 50 Jahren im Kontext sprechender Titel wie "Publikumsbeschimpfung". Spielerisch schickt er darin zur Beichte und nötigt eine Selbstbezichtigung ab, wie totalitäre Regime sie abnehmen – und zeigt damit etwa die Nähe von Katholizismus und Kommunismus auf und diskutiert die scheinheiligen gesellschaftlichen Schuldbegriffe. "Gegen welche Gesetze des Theaters habe ich mich vergangen?" Diese Beichte kann nur das Theaterpublikum abnehmen.

Mit "Publikumsbeschimpfung" begann vor fünfzig Jahren die Karriere von Peter Handke als Bühnenautor. "Selbstbezichtigung", im gleichen Zeitraum 1965/66 in einer Serie von "Sprechstücken" entstanden und uraufgeführt, ist dessen komplementäres Gegenstück. Das Publikum wird nicht angegriffen, sondern zur höchsten Instanz aufgewertet, als wäre es ein Gericht oder ein Gott („Gebeichtet wird ans Publikum“, so der damalige Jura-Student Handke in einem Brief an seinen Verleger). Das Publikum repräsentiert die Regeln, gleich ob sie von Staaten, Religionen, Parteien, Gesetzgebern oder Ämtern stammen mögen. Naturwissenschaftliche Gesetze, ungeschriebene Lebensregeln, „Postulate, Grundsätze, Etiketten, Satzungen, allgemeine Meinungen und Formeln“ (P.H.) bilden zusammen einen Katalog von Vorschreibungen, die zu verletzen unumgänglich erscheint. Gleichsam nach dem klassischen Motto „Wer lebt, stört“, demonstriert der Text, welche Fehler einen jeden Lebensweg begleiten. Handke konterkariert für das Theater die geistig-seelischen Entwicklungen des Bildungsromans: Immer neue Stufen des Vergehens werden genommen, freilich nicht psychologisch kontinuierlich, sondern sprachkritisch aufzählerisch. Der oder die Sprecher:in (Handke schrieb den Text ursprünglich für einen Mann und eine Frau, später mochte er sich auch nur einen oder eine Sprecher:in vorstellen) finden sich wieder in einer Ansammlung gesellschaftlich bedingter Schuldkomplexe. Wo Handke verallgemeinert, um schuldhaftes Verhalten eben nicht auf persönliche Schwächen und Fehler zurückzuführen, da gehen Dušan David Pařízek und Stefanie Reinsperger nun den umgekehrten Weg: Sie untersuchen einzelne Selbstbezichtigungen auf erinnerbare Momente, nehmen das Unpersönliche wieder persönlich. Pařízek verabschiedete sich 2012 am Kammertheater Prag nach 14 Jahren als Theaterleiter mit einer selbstreflexiven "Publikumsbeschimpfung" und einer bilanzierenden "Stunde da wir nichts voneinander wussten". Mit Stefanie Reinsperger streift er bisherige gemeinsame Stationen ("Der zerbrochne Krug", "Nora", "Die lächerliche Finsternis"). Gemäß Handkes Frage „Gegen welche Gesetze des Theaters habe ich mich vergangen?“ entsteht eine Lebensbeichte, die auch zur Theaterbeichte wird.

von Roland Koberg

Pressestimmen

"Reinsperger schont sich nicht, niemals. Sie veräußert sich, gibt alles, was sie hat – und sie scheint unendlich viel zu haben. Sie lacht und sie weint, sie kann auf Hochdeutsch und auf Wienerisch, kann ganz klein und ganz groß spielen (wobei: ganz groß ist ihr schon lieber), und wenn es bei Handke um sprachliche Plattitüden geht, dann switcht sie auch schnell in den hohlen Pathos, das kann sie natürlich auch. Eine Aufführung wie ein Best-of-Album."Süddeutsche Zeitung

"Die Inszenierung hält der Radikalität des Textes stand, vor allem dank dieser Sprechkönigin, die Worte wie unsichere Gebiete abtastet. (…) Den Kampf mit der Gleichförmigkeit der Satzstellungen hat sie hier eindeutig gewonnen. Man kann ihr in dieser Mischung aus Selbstgeißelung und Wutausbruch nicht nicht folgen. Reinsperger ist ein Magnet, ein Wundergeschöpf aus Selbstermächtigung, Hingabe, Gerissenheit, Witz und Akkuratesse; sie trägt den Titel 'Schauspielerin des Jahres' mehr als zurecht."Der Standard

"Was für eine tolle, umwerfende Schauspielerin. Was für ein schöner, kluger, lustiger Theaterabend!"tip Berlin

"Eine faszinierende, virtuos gespielte und auch sehr witzige Theaterstunde."Kurier