Als Kostümbildassistentin gehöre ich zu denen, die als erste kommen und als letzte gehen. Denn was man oft nicht vermutet, ist, dass im Kostümbild viel mehr Arbeit steckt, als man denkt. Allein die vielen Menschen, die an dem Prozess von der Idee bis zur Premiere beteiligt sind, verblüffen mich immer wieder. Dazu gehören Kostümbildner:innen, Gewandmeister:innen, Schneider:innen, Maskenbildner:innen, Ankleider:innen, Kostümmaler:innen, Kostümplastiker:innen und die Kostümdirektion.
Mein Job ist es, den Prozess gemeinsam mit den Kostümbildner:innen zu begleiten und zu kommunizieren, damit am Ende alles sitzt und spielbar für die Rolle ist. Im besten Fall sind Idee, Kunst und Handwerk am Ende so verschmolzen, dass die Schauspielenden das Kostüm als großartiges Werkzeug nutzen können, um in ihrer Rolle aufzugehen. Man sollte also nicht unterschätzen, was ein gut durchdachtes und gelungenes Kostümbild ausmacht. Bei dieser Produktion durfte ich Esther von der Decken assistieren, die hier mit ihrem Kostümbild feinste Arbeit geleistet hat.
Dasselbe gilt auch für Regiekonzept, Bühnenbild, Dramaturgie, Musik, Licht, Ton und weitere Gewerke, die so eine Produktion tragen und ihre Weiterentwicklung bis zur Premiere erst möglich machen.
Wenn ich Produktionen betreue, habe ich seit einiger Zeit auch immer meine analoge Kamera dabei. Da es sich um eine Point-and-Shoot-Kamera handelt, bei der man nichts weiter tun muss, als den Moment zu finden und einzufangen, konnte ich viele Erinnerungen festhalten, die einem nach einer so intensiven Probenphase oft entgleiten. Wie schön, dass so etwas möglich ist! Bei "Biedermann und die Brandstifter" hatte ich das große Glück, mit neuen, sehr geschätzten Kolleg:innen und auch Freund:innen zusammenzuarbeiten, die ich schon aus anderen Produktionen kenne. In dieser Zeit sind neben den szenischen Bildern auf der Bühne auch wunderbare Momente hinter den Kulissen entstanden, in denen der Charme des Berliner Ensembles immer wieder durchscheint und seinen wichtigen Teil beiträgt. Wie ein neobarocker Bilderrahmen mit viel Seele. So einen Ort zeitweise als Arbeits- und Wohnzimmer zu empfinden - das hat schon was. Ich arbeite gerne mit Menschen im Theater- und Opernkontext zusammen und freue mich immer wieder, dass meine subjektive oder auch unsere kollektive Wahrnehmung beim Fotografieren bildlich festgehalten werden kann.
Bei den Vorbereitungen zu diesem Artikel kamen mir einige Anekdoten in den Sinn, die der besonderen Verbundenheit des Teams zu verdanken sind:
Fritzi Wartenberg begann die Proben oft mit Übungen, die kreatives Denken und schnelles Handeln, Zusammenhalt und Humor als Basis für den Tag legten. And let me tell you: Das macht einen großen Unterschied! Wir spielten das Netzspiel, bei dem wir im Kreis standen und nach und nach verschiedenen Bällen Themen zuordneten. Diese Bälle warfen wir uns mit einem passenden Satz, Begriff oder Geräusch zu und mit der Zeit bildete sich ein kompliziertes Netz, das für Außenstehende wahrscheinlich wie ein totales Chaos aussah. Mein Favorit war das Silbenspiel, bei dem Fritzi ein Thema vorgab und die Schauspielenden in einer Reihe sitzend Silbe für Silbe eine Geschichte, ein Lied, eine Beichte, eine Pressekonferenz oder auch eine Rede zusammensetzten. Diese Silben wurden von den schnellen Fingern von Joshua Wölbern (Regieassistent) und Nell Schikarski (Regiehospitantin) mitgeschrieben und dann von den Schauspielenden mit Hilfe von Musik und Licht szenisch dargestellt. Die kreativen und zutiefst lustigen Szenen, die dabei entstanden sind, werde ich hoffentlich nie vergessen. Nach diesem Probenstart haben wir dann intensiv über den Bezug unseres Stückes zur heutigen gesellschaftlichen Situation diskutiert, die Texte durchgesprochen und so die Szenen entstehen lassen, die jetzt als Ergebnis auf der Bühne zu sehen sind.
Sehr spannend finde ich immer den Übergang von der Probebühne auf die große Bühne mit dem Original-Bühnenbild. Da kommt etwas ins Rollen, das nicht mehr aufzuhalten ist. Bestehendes wird gefestigt, Neues wird ausprobiert und man spürt, was den Szenen noch fehlt, um ihnen das gewisse Etwas zu geben. Der erste Tag auf der großen Bühne, meist zweieinhalb Wochen vor der Premiere, ist aufregend und (Info für Inke: Foto, auf dem Fritzi hinter der Säule schaut, Maeve im Hintergrund) sobald die Premiere näher rückt, befinden wir uns auch schon in den Hauptproben. Nach den letzten Kostümanproben kommen die Originalkostüme hier endlich zum Einsatz und gelangen mit dem letzten Schliff zu ihrer endgültigen Form für die Premiere.
Vielen Dank an alle Beteiligten! Euch alle auf und hinter der Bühne zu fotografieren hat mir sehr viel Freude bereitet! Ich sehe jeden Tag, wie viel Zeit und Energie wir in unsere Arbeit stecken und wie wichtig Kunst und Kultur in der Gesellschaft sind. Wir schaffen geistige und visuelle Kunst, die schon lange erzählt, kritisiert wird und den Diskurs anregt und gerade in diesen politischen Zeiten nicht vernachlässigt werden darf.