Mit 40 Jahren hat es Oscar Wilde geschafft: Am 3. Januar 1895 wird in London zunächst sein Stück "Der ideale Gatte", dann am 14. Februar "Bunbury" uraufgeführt. Die erfolgreichen Aufführungen machen den Schriftsteller zum Star der Londoner Kunstszene.
Zuvor hatte er sich durch Vorträge und Zeitungsartikel einen gewissen Namen gemacht. 1890/91 erschien sein Roman "Das Bildnis des Dorian Gray", der trotz schlechter Kritiken zu einer ersten Aufmerksamkeit in London führte.
Vier Tage später, am 18. Februar, platziert der Marquess von Queensberry – Vater von Wildes Geliebten Lord Alfred Douglas – eine Visitenkarte in Wildes Club, auf der er ihn in aller Öffentlichkeit als "posierenden Sodomiten" bezeichnet. Eine schwere Anschuldigung, da Homosexualität im viktorianischen England nicht nur verpönt, sondern auch per Gesetz verboten war.
Der verheiratete Wilde und der 16 Jahre jüngere adlige Student Alfred Douglas, genannt "Bosie", lernten sich 1891 kennen und hatten tatsächlich ein Verhältnis. Douglas führte ihn in das luxuriöse Leben der Upper Class ein – sie feierten Partys, dinierten in teuren Restaurants, reisten durch Europa und Nordafrika – aber auch in das Rotlichtmilieu, wo er ihm zum Teil minderjährige Prostituierte vorstellte. Wilde lebte über seine Verhältnisse und trug die Spesen.
Die Öffentlichkeit sowie die Theater reagierten auf Queensberrys Anschuldigungen und erwogen die Absetzung von Wildes Stücken. Bosie, der seit Jahren mit seinem Vater zerstritten war, überzeugt den bereits stark verschuldeten Wilde zu einer Verleumdungsklage gegen den Marquess.
Am 5. April wird dieser nach zwei Prozesstagen freigesprochen, da er durch Zeugenaussagen und Privatdetektive nachweisen konnte, dass Wilde sich homosexueller Handlungen schuldig gemacht hatte. Wilde trägt die Verfahrenskosten und wird direkt danach verhaftet.
Am 26. April beginnt der Prozess gegen ihn wegen "grober Unzucht". Vor Gericht werden Briefe und teils manipulierte Zeug:innenaussagen zur Beweisführung vorgebracht. Wilde hatte zuvor zwar mehrfach die Gelegenheit ins Ausland zu fliehen und so einer Verurteilung zu entkommen, lehnte jedoch ab, da er davon ausging, zu gewinnen. Am 25. Mai wird er zur Höchststrafe – 2 Jahre Einzelhaft und Zwangsarbeit – verurteilt. Wenig später beginnt der Marquess ein Konkursverfahren gegen Wilde. Er verliert seinen gesamten Besitz sowie die Rechte an seinem Werk.
Nach einigen Monaten in verschiedenen Gefängnissen wird er im November 1895 ins Zuchthaus Reading Gaol verlegt, in dem er trotz mehrerer Gnadengesuche seine Haft absitzen muss.