WORX

Mein Mann macht Elternzeit

Bevor sich WORX-Regisseurin Malin Lamparter in den Mutterschutz verabschiedet und ihr bald Neugeborenes kennenlernt, macht sie sich noch einige Gedanken. Gedanken über sich als arbeitende Frau im Kunstbetrieb, als Schwangere und werdende Mutter, Gedanken über bisherige Erfolge – und mögliche Zukunftsperspektiven. Ihr persönlicher Text ist auch ein Appell, Frauen in der Kunst auch nach der Geburt als Künstlerinnen, statt als Mütter wahrzunehmen und lädt mit einem Augenzwinkern zur Kollaboration ein. Danach.

Malin Lamparter | 05.03.25
Bertolt-Brecht-Platz 1
10117 Berlin
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Theaterkasse

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Der Vorverkauf bis 6. Juli läuft! Der Vorverkauf für die weiteren Juli-Vorstellungen bis Spielzeitende beginnt am 3. Juni. Unsere Theaterkasse hat montags bis samstags von 10.00 Uhr bis 18.30 Uhr für Sie geöffnet.

Warum  Sie mich engagieren sollten: 
1.    Ich mache gute Arbeit.
Meine Stücke sind voll, bunt, lustig und traurig – immer ein Erlebnis mit Hang zur Absurdität. Es wird einem definitiv nicht langweilig, man darf denken und fühlen und lachen und weinen.
2.    Ich mag neue Texte wirklich.  
Sowohl Romane als auch Stücke. Ich liebe es, Menschen auf der Bühne sprechen zu hören und Worte mit Leben zu füllen – und ich glaube, dass moderne Sprache und Themen die Kraft haben, Menschen zusammen zu bringen. Im Theater. 
"Ballermann ohne Eigenschaften" – ich verstehe immer noch nicht warum das keiner Fördern will. Die Bakchen mit Fußball-Ultras? Wie gut wäre das denn!?
3.    Ich halte durch. 
Meine letzten beiden Inszenierungen habe ich mit heftigster Schwangerschaftsübelkeit erarbeitet. In den Pausen bin ich aufs Klo verschwunden, und auf dem Heimweg hat mich der Geruch der Berliner U-Bahn regelmäßig an den Rand gebracht. Aber auch wenn nur Ingwertee mich bei der Stange gehalten hat, die Arbeit hat mich so abgelenkt, dass es angeblich keiner bemerkt hat. Was ich anfange, bringe ich zu Ende
4.    Ich bin organisiert. 
Ich komme mit Gewerken aus, und mit Spielerinnen und den organisatorischen Abteilungen. Ich bin in der Lage einen Probenplan zu entwickeln und ich halte mich dran. Ich war Regieassistentin und habe viele Jahre in der freien Szene gearbeitet. Ich verstehe, wie wertvoll die Zeit aller Beteiligten ist, ich weiß, wie Kunst finanziert wird und was da alles hinter steckt. Und gerade deshalb bin ich der festen Überzeugung, dass alle Leute besser arbeiten, wenn sie menschlich behandelt werden und genug Schlaf bekommen.
5.    Mein Mann macht Elternzeit. 
Das müssen wir uns ja auch irgendwie leisten können.

Und jetzt?


"Gelbes Gold" – meine Bachelorinszenierung am Theater Gießen – ist zum Heidelberger Stückemarkt eingeladen. Die Dramaturg:in flötet in die Sprachnachricht: Der Termin ist Anfang Mai. 12 Tage vor ET. Meine Hebamme sagt: "Du kannst fahren, bis der Schleimpfropf abgeht."
 
Ich möchte da sein, wenn mein Stück gezeigt wird, und hoffe einfach so sehr, dass das noch geht. 
Und darüber hinaus versuche ich, gar nicht erst daran zu denken, dass ich eigentlich noch viel lieber auch die anderen Stücke sehen würde. Die meiner engen Freundin Jette, die zufälligerweise in der gleichen Kategorie nominiert wurde wie ich. Die, deren Texte mich interessieren, die meiner Kolleg:innen. Aber daran ist nicht zu denken, schon der Weg von meiner Couch zur Toilette ist aktuell eine Herausforderung.  
Im Gegensatz zu mir (ich watschle eher) läuft die aktuelle Spielzeit so gut, dass es mir manchmal wie ein Traum vorkommt.  
 

Ich durfte im WORX-Programm des Berliner Ensembles zwei wahnsinnig bereichernde und selbstbestimmte Inszenierungen realisieren und dabei mit großartigen Leuten zusammenarbeiten. Dazu eine Performance, die so persönlich und wunderschön und tieftraurig war, dass ich manchmal immer noch darüber weinen muss.  
Ich durfte mit meinem Stuttgarter Kollektiv auf Internationale Gastspiele fahren, ich wurde von Nachtkritik interviewt und hab beim Lesen des kleinen Infokastens über mich das erste Mal gedacht: "Krass. Du bist ja wirklich, wirklich Regisseurin geworden. Ganz in echt."

Aber jetzt neigt sich die Spielzeit ihrem Ende zu, und gerade dieses Ende findet größtenteils ohne mich statt. Denn neben all diesen Dingen wartet ein vielleicht noch größeres Projekt auf mich: Ich bekomme Mitte Mai ein Baby. 

Während ich diesen Text schreibe, bin ich im 10. Monat schwanger. Ich freue mich wahnsinnig auf das, was kommt, aber mit der Vorfreude kommt natürlich auch die Angst: Regisseurin und Mutter, geht das überhaupt, schaffe ich das? 
Immer wieder sehe ich ein Bild vor mir. Ich stehe auf einem glitzernden Sprungbrett, aber anstatt hoch zu springen, rutsche ich in einer Pfütze aus Fruchtwasser und Care-Arbeit aus und knalle auf den Boden. 


Warum ist es im Jahr 2025 immer noch so, dass ich mir in den letzten Tagen vor meiner Geburt Gedanken darüber machen muss, ob ein Kind überhaupt mit meinem Beruf vereinbar sein wird?

 

In wenigen Tagen hat meine WORX-Kolleg:in Lucia Premiere, ich kann nicht da sein. Ich würde so gerne auf dem Helene-Weigel-Hof ein Glas Sekt trinken und über die Zukunft des Theaters sprechen, oder mich beim Heidelberger Stückemarkt für neue Texte begeistern – aber vor sechs Monaten war ich froh, wenn ich meine eigenen Proben überstanden habe, ohne jemandem auf die Füße zu kotzen und jetzt sitze ich auf dem Sofa und lasse mir von innen blaue Flecken treten. Das ist schön, keine Frage, aber dabei steigt immer weiter die Angst, was passiert, wenn die Gelegenheiten für Sekt und Theater nachlassen und sich nicht wieder eröffnen?

Was, wenn sich das Zeitfenster schließt? Was, wenn man plötzlich keine vier Stücke mehr von mir sehen kann, sondern nur noch eines? Und wie viel schamlose Eigenwerbung muss ich machen, um mein Kind durchzubringen? Aber auch da stelle ich mir sofort die Frage: Wenn man mir da so hochschwanger begegnet, kommt dann eigentlich überhaupt irgendjemand auf die Idee, dass ich in den nächsten Spielzeiten arbeiten möchte, oder werde ich nur noch als Mutter gesehen, und nicht mehr als Künstlerin?


Mein Mann meint, ich solle mir ein Shirt bedrucken lassen auf dem steht: "Mein Mann macht Elternzeit." Er spricht schon seit Jahren davon, dass er eigentlich am liebsten Hausmann wäre, ich versuche seinen Enthusiasmus zu senken, so gut sind Regiegagen (zumindest meiner Erfahrung nach) leider nicht. Aber trotzdem möchte ich hier die Gelegenheit nutzen zu sagen:
Ich bekomme ein Baby, und ich freue mich sehr darauf mit diesem Kind die erste Zeit zu verbringen – aber danach möchte ich sehr gerne wieder als Regisseurin arbeiten. 


Ich beschäftige mich aktuell viel mit dem Phänomen von Gruppenekstase als Grundlage von faschistischen Bewegungen und gleichzeitig als wichtiges demokratisches, gemeinschafsstiftendes Element. Aus einem persönlichen Hintergrund würde ich gerne einen Abend zu Fehlgeburten und der Stigmatisierung von Abtreibung erarbeiten und ich habe wirklich immer Lust mich in neue Bereiche einzuarbeiten, mich Texten neu zu nähern. 
Also, wenn Sie Lust haben einen Fußballultra-Chor auf ihrer Bühne zu haben oder noch eine Regisseurin für ein Stück über die Schuldenbremse suchen, rufen sie mich an. Telefonieren und Denken gehen weiterhin gut – zumindest bis der Schleimpfropf abgeht.