AM RANDE DER GESELLSCHAFT

"Auf der Straße" erzählt Geschichten vom Rande der Gesellschaft. Von Wohnungs-, Obdachlosigkeit und/oder Armut betroffene Menschen werfen, gemeinsam mit SchauspielerInnen des Berliner Ensembles unterschiedliche Perspektiven auf die Problematik. Schlaglichtartig entsteht so ein Einblick in eine gesellschaftliche Debatte, die sich im Kern, um die Frage nach einem sozialen Miteinander, einer solidarischen Gesellschaft dreht.

Karen Breeces Dokumentartheater entwickelt sich aus Gesprächen, Recherchen und Begegnungen. Breece hat für "Auf der Straße" über mehrere Monate hinweg in Berlin zum Thema der Wohnungs- und Obdachlosigkeit und den Umständen, die Menschen in die Armut treiben, recherchiert. Aus den zahlreichen Begegnungen mit von dem Thema in unterschiedlicher Weise betroffenen Menschen ist schließlich – nach mehrfacher Überarbeitung und Kontextualisierung durch die Autorin Breece – während der Probenphase in Kollaboration mit den Ensemblemitgliedern Nico Holonics und Bettina Hoppe ein dokumentarischer Theaterabend entstanden, der zentral von Psy Chris, René Wallner und Alexandra Zipperer erzählt.

Bertolt-Brecht-Platz 1
10117 Berlin
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Theaterkasse

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Spielplan-Update: Bitte beachten Sie den aktualisierten Spielplan bis einschließlich 31. Mai. Der Vorverkauf für alle Vorstellungen bis 3. Juni 2024 läuft! Unsere Theaterkasse hat montags bis samstags von 10.00 Uhr bis 18.30 Uhr für Sie geöffnet.

Obhut

© Julian Röder

"Das Leben auf der Straße ist hart.
Elf Jahre Platte."
Psy Chris

Psy Chris ist ein ehemaliges Heimkind, dessen Unterbringung in staatlicher Pflege ihn und seinen Lebenslauf maßgeblich geprägt hat. Mit 14 Jahren flüchtete er aus dem Heim auf die Straße. Erst die Begegnung mit der Organisation MOMO bzw. Karuna, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, Kindern und Jugendlichen, die auf der Straße gelandet sind, neue Perspektiven zu eröffnen, half  Psy Chris schließlich (nach 11 Jahren auf der Straße)  erste Schritte zurück in ein Leben innerhalb gesellschaftlicher Normen zu finden.

Sehr lesenswert in diesem Zusammenhang ist das Wortprotokoll der 46. Sitzung der Kommission zur Wahrnehmung der Belange der Kinder vom 6. Juli 2016. Auf Seite 9-11 findet sich der wörtliche Bericht einer Betroffenen, die sehr eindrücklich ihre Aufnahme in staatliche Obhut schildert.  In den Schlußworten des Berichts heißt es :„Niemand zwingt uns, solche gewaltförmigen Settings zu machen und zu bauen. Niemand zwingt uns dazu, wir haben es selbst gemacht und wir können es auch lassen. Wir haben andere Möglichkeiten.“

Außerdem hat "Monitor" sich in einer einer bemerkenswerten Reportage mit dem Thema auseinander gesetzt.

OBDACHLOSIGKEIT

© Julian Röder

"Manchmal denke ich über Erholung nach. In den Knast wandern. Dann hätte ich Ruhe."
René Wallner

René Wallner lebt seit 3 Jahren auf der Straße – 2018 ist in der Zeit eine ausführliche Reportage mit dem Titel "Der Wanderer von Kreuzberg" über ihn erschienen.

Im Rahmen der vorbereitenden Recherchen für die Produktion ist Karen Breece auf die Arbeit der Journalistin Anja Nehls aufmerksam geworden. Sie hat sich in mehreren Reportagen für Deutschlandfunk-Kultur mit der Problematik der Obdachlosigkeit in Berlin auseinander gesetzt, sie besuchte  Bahnhofs- und Stadtmissionen, in denen die Mitarbeiter trotz rund 20 Millionen Euro an Spendengeldern im Jahr am Limit arbeiten und begleitete den Obdachlosen Ulli Obermann, den Breece Dank der Vermittlung von Anja Nehls als René Wallner auf die Bühne geholt hat.

Die Dokumentation "Unter Null" vermittelt einen Eindruck vom Leben auf der Straße . Günter Walraff hat sich darin im Winter 2008/2009 selbst für mehrere Monate auf die Straße gewagt.

ARMUT

© Julian Röder

"Wenn das System funktionieren würde, müsste es für jemanden wie mich dann nicht eigentlich einen Platz geben?"
Alexandra Zipperer

Alexandra Zipperer verkörpert in "Auf der Straße" – trotz aller Lebensfreude und Positivität mit der sie auf der Bühne steht – das Leben in Armut, am Rande der Gesellschaft. Eine tatsächliche Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ist ihr mangels finanzieller Möglichkeiten nur bedingt möglich. Sie ist auf den Gang zur Tafel angewiesen. Monatlich bleiben ihr – trotz Grundsicherung durch den Staat - nur etwas über 70 Euro zum Leben.

Setzt man sich mit dem Thema der Armut in Deutschland auseinander, stößt man rasch auf die Fragen und Probleme rund um die staatliche Unterstützung.

Staatliche Unterstützung von Arbeitslosen ist in Deutschland zu Großen Teilen über einen öffentlich-rechtlichen Vertrag zwischen der Agentur für Arbeit und der/dem jeweils Betroffene/n geregelt. Maßgeblich ist hier die sogenannte "Eingliederungsvereinbarung", die sowohl Ansprüche als auch Sanktionen regelt. Gerade letztere sind dabei vieldiskutiert, führen sie doch zum Teil schon bei kleinsten Verstößen zur Streichung von Geldern und damit zur Gefährdung der Existenz. Zuletzt führte auch die Bemerkung des Bundesgesundheitsministers Jens Spahn  – Hartz IV bedeute nicht Armut  – zu vielerlei Protest. Wie es dagegen wirklich ist, sein Leben mit Hartz IV bestreiten zu müssen, war in Folge viel diskutiert: u.a. in der Zeit und dem Focus.

Zum Thema "Tafel" hat Alexandra Zipperer ein Buch geschrieben, einen "Erlebnisaufsatz aus der Parallelwelt des Prekariats". Bei Interesse schicken Sie bitte eine Mail an sputnik@gmx.de.

Ich glaube an das Gute im Menschen. Psy Chris

Recherche-Interview

Rechercheinterview im Rahmen von "Auf der Straße" mit Antje Gebauer (Bahnhofsmission am Zoologischen Garten) und Kai Schellenbeck (Leiter des Hygienezentrums an der Bahnhofsmission am Zoologischen Garten)

Chor

DIFFERENT VOICES OF BERLIN

Jocelyn B. Smith hat das integrative Chorprojekt DIFFERENT VOICES OF BERLIN ins Leben gerufen und leitet den Chor seit 2006 ehrenamtlich.

Zentrale Idee des Chores ist es, Menschen, die in der dieser Gesellschaft nicht gehört werden eine Stimme zu geben und ihnen außerdem über den gemeinsamen Gesang und die regelmäßigen Treffen einen Zusammenhalt zu bieten, den die meisten von ihnen – aus unterschiedlichen Gründen (der Chor vereint Obdachlose, ehemalige Obdachlose, Menschen in psychischer Betreuung und ehemalig Betroffenen) im Alltag erleben. Für ihr Engagement wird Jocelyn B. Smith 2018 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.

<p>Das leben ist aber ja auch schön, nicht nur schmutzig und dreckig.</p> René Wallner

INTERVIEW-/GESPRÄCHSPARTNER

Habib Arif
Bernd Backhaus, Leiter der Suppenküche Franziskanerkloster Pankow
Regina Berchner, Zentrale Beratungsstelle für Menschen in Wohnungsnot Berlin
Bruder Andreas Brands OFM, Franziskanerkloster Pankow
Alexander Fischer, Staatssekretär für Arbeit und Soziales
Inge Forster-Hauß, Stadt Dachau, Abteilung Obdachlosenwesen
Antje Gebauer, Bahnhofsmission am Zoologischen Garten
Thomas Hartmer, Nachtcafé Herz Jesu
Claudia Haubrich, stellvertretende Leiterin Bahnhofsmission am Zoologischen Garten
Nico Holonics
Bettina Hoppe
Bettina Kenter-Götte, Autorin („Heart's Fear – Geschichten von Armut und Ausgrenzung“)
Jürgen Mark, Notübernachtung Franklinstraße
Jan Markowsky, Unter Druck – Kultur von der Strasse e. V.
André Neupert, MOMO – The voice of disconnected youth Berlin
Psy Chris
Dieter Puhl, Leiter der Bahnhofsmission am Zoologischen Garten
Martin Ronnebeck
Kai Schellenbeck, Leiter des Hygienezentrums an der Bahnhofsmission am Zoologischen Garten
Uwe Tobias, Stadtführer bei querstadtein e.V., Obdachlose zeigen ihr Berlin
René Wallner
Alexandra Zipperer

Unser besonderer Dank gilt
Antje Gebauer, Kai  Schellenbeck, Martina Rogasch, Ortrud Wohlwend (alle Berliner Stadtmission e.V.), Thomas Hartmer, Bettina Kenter-Götte, Jürgen Mark, Anja Nehls (Deutschlandfunk), André Neupert