Theater ist meine Sprache, das war der Grundgedanke. Mittlerweile gibt es zwei Punkte, über die ich hinwegkommen muss. Ich stelle sie mir als Grenze zwischen Welten vor, an deren Trennlinie ich glitche und an denen mein Ich, wie in einem Videospiel, kurz geflackert hat. Die Pixel fliegen durcheinander, es gibt einen fiesen Piepton und plötzlich sehe ich wieder fast wie vorher aus. Nur mit einer erweiterten Sicht auf Theater.
Punkt 1: Wenn ich mir etwas vorstelle, dann ist es nicht gleich dem, was man am Ende umsetzen kann. Gut, so oft kam ich noch nicht in die Verlegenheit, aber eine Schultheater-Probensituation, in der ich durch meinen Streber-Nimbus und als einzige aufmerksame Besuch-der-Alten-Dame-Leserin grundsätzlich alles entscheiden durfte, unterscheidet sich nun doch etwas von einer professionellen Probe. Wir können aber auch einen gedanklichen Schritt zurück und aus dem Grenzbereich raus machen. Die Frage, ob die eigene Vorstellung der Wirklichkeit gleichgemacht werden kann, hat mich explizit zum Theater hingezogen. Die Antwort ist nur leider nicht so interessant, sie ist einfach: Nein. (Was in anderer Hinsicht bedeutet, dass alles echt sein muss, was ich aber zeitlich betrachtet erst im nächsten Übertritt erfahren kann und daher durch meine neu erlerne Fähigkeit, Dinge dramaturgisch schmackhaft und linear zu erzählen, noch nicht ausführen werde.)
Punkt 2.1: Da sind Leute. Also im Theater. Echte Leute, meine ich. Entgegen dem Vorurteil über Generation Z mangelte es mir nicht an dem Verständnis, dass die Schauspieler:innen auf der Bühne aus Fleisch und Blut sind. Nein, viel eher fasziniert(e) mich, dass die großen Fenster und geschwungenen Türen von innen so strahlen, weil darin etwas Alltägliches geschieht. Etwas, das von Menschen ausgeführt wird, weil sie Theater auch mögen (immer noch laufe ich manchmal so über die Gänge und denke mir bei den Mitarbeiter:innen: "Wie cool, dass du auch Theater magst").
Punkt 2.2: Dahinter verbarg sich nun aber eine neue Erkenntnis - denn von mögen scheinen nur die wenigsten zu sprechen. So viele Unterhaltungen habe ich geführt, in denen mir geraten wurde, auch die schwierigen Seiten des Theaters mitzudenken. Natürlich verstehe ich das und natürlich sind mir die vor allem historisch begründeten Mängel bewusst, ich werde öfter vor Machtmissbrauch gewarnt als ich meinen Berufswunsch äußern kann, vielleicht ist das auch gut und fortschrittlich.
Für mich bestand die Erkenntnis allerdings darin: Ist man von Menschen umgeben, die das gleiche zu mögen scheinen, so vergessen wir schnell unseren eigenen Grund der Begeisterung. Das habe ich gelernt und ich musste das erste Mal feststellen, dass auch andere Menschen außer mir beispielsweise gerne schreiben oder über Theater sprechen und es auch können. Ich bin nicht die einzige und wie schön das ist, konnte ich nur lernen, weil ich auch manchmal weinend zu Hause saß und mich gefühlt habe, als ob ich die Einzige wäre. So habe ich ins Theater gefunden und doch fühle ich mich auch manchmal im Theater so, wenn scheinbar alle sich besser und wortgewandter über Theater austauschen können als ich. Es bringt also mit sich, sich beweisen zu müssen. Früher war ich nur eigen und kreativ, jetzt muss ich auch noch Networking-tauglich und ein Organisationstalent sein, ich freue mich über jeden Kontakt und muss ihn eben auch halten können.
Und nun kommt das Jetzt, in dem ich flackernd und glitchend in der Gegend rumstehe und mich frage, ob ich zu jung oder schon ein bisschen zu erwachsen bin. Sich direkt nach der Schule ins Theater zu stürzen war nicht mutig, sondern richtig. Ich bin ganz überfordert davon, meine eigenen Entscheidungen gut zu finden. Ich fühle mich so ein bisschen halbfertig, dabei will ich keine halben Sachen, sondern nur ganze und richtige machen. Vielleicht ist man dazu mit 19 am Theater: Um zu verstehen und live mitzufühlen, dass halbe Sachen auch schon Sachen sind, dass eine erzählte Krise auch für mich persönlich eine besondere Dringlichkeit besitzt.
Alles, was ich dazu finden kann, werde ich auf die Bühne schmeißen und kräftig schütteln, und ich lade euch herzlich ein, mir euren Grund für Theater hinterherzupfeffern.