Ein wenig Licht. Und diese Ruhe.

Von Sibylle Berg
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"Am Abend vor meinem Einmarsch in die besetzten Gebiete sah ich im Fernsehen eine Ansprache von Regierung und Militärführung. Sie haben entschieden, dass wir noch mehr zum BIP beitragen, wenn wir nicht nur Saugroboter, sondern Marschflugkörper konsumieren, auf dem Schlachtfeld. Wo wir uns schlachten, für Land, Bodenschätze, Macht, Grenzen. Zeug."

 

Sibylle Bergs neues Stück spielt in einer Zukunft, die sich beunruhigend wie unsere Gegenwart anfühlt. Als in Europa ein Krieg zwischen Liechtenstein und Luxemburg ausbricht und mobil gemacht wird, dämmert es auch einem zum Wehrdienst eingezogenen Ingenieur langsam: Vielleicht war die eigene Queerness nie in Einklang mit dem Job in der Rüstungsindustrie zu bringen. Irgendwo im Schutz vor den nächsten Detonationen beginnt er zu forschen: nach der Textur des Denkens, die unsere Welt sein soll. Sibylle Bergs Text ist ein zarter Monolog über die Verzweiflung an unserer Gegenwart – einer Gegenwart, deren Diskurse wie ein Motor im Leerlauf unendlich vor sich hin rotieren – und über die Angst vor den wiederkehrenden Militarisierungstendenzen in unserer Gesellschaft. Inspiriert von der Fotografie "Fieldwork" des kanadischen Künstlers Jeff Wall nimmt Sibylle Berg an der Abbruchkante unserer Epoche Platz. Mit Musik. Und ein bisschen Stille.

Mit "Ein wenig Licht. Und diese Ruhe." wird nach "RCE" und "Es kann doch nur noch besser werden" bereits der dritte Text von Sibylle Berg am Berliner Ensemble aufgeführt. Der junge Regisseur Dennis Nolden – bis zur Spielzeit 2024/25 Regieassistent am Berliner Ensemble – inszeniert Sibylle Bergs Monolog als Solo mit Gabriel Schneider.

Sibylle Bergs Stück spielt in einer Welt, die sich beunru­higend wie die unsere anfühlt. Ein Krieg bricht aus in Europa. In der bergschen Welt ist es ein Krieg zwischen Liechtenstein und Luxemburg ... Als dann mobil gemacht wird, dämmert es auch einem zum Wehrdienst eingezogenen nerdig herumboomernden Ingenieur: Vielleicht stand die eigene Queerness nie in Einklang mit dem Job in der Rüstungsin­ dustrie. Er, der an der Entwicklung autonomer Drohnen ­ beteiligt war, soll nun auf einmal selbst an die Front. Der Glaube an das eigene wertegeleitete Weltbild, die Liebe zur mathematischen Präzision in der Technologie, die Freiheit, die er zu finden hoffte, in der Mechanik, den Schaltkreisen, in der ­ Logik von Bits und Bytes, Ohm und Ampere – all das bleibt angesichts einer drohenden Realität im Morast des Schützengrabens stecken.
Irgendwo im Schutz vor den nächsten Detonationen beginnt der Ingenieur zu forschen: nach der Textur des Denkens, die unsere Welt sein soll. Die Angst vor dem Krieg, aber auch: die existenzielle Einsamkeit eines ganz konkreten Menschen trifft auf leere Worte; der Wunsch nach Verbindung auf die Buzzwords einer Gegenwart, die kein Zuhause bieten.

"Ein wenig Licht. Und diese Ruhe." spielt in einem Bunker, in einem Keller und auf einer Ausgrabungsstätte. Aber auch in einer Ausstellung. Einer Ausstellung des Innenraums unseres Denkens. Neun Begriffe gräbt Sibylle Berg in ihrem Bühnenessay aus. In ihrem unverwechselbaren assoziativ-sprunghaften und liebevoll-zynischen Stil befragt sie diese auf ihre Bedeutung – und auf ihre ideologische Neubesetzung und die Umkehrung ihres ehemaligen Sinns. Denn einen Sinn kann Sibylle Bergs Figur in unserer Zeit nicht finden. Ihr Stück ist ein Monolog über die Verzweiflung an unserer ­ Gegenwart – einer Gegenwart, deren Diskurse wie ein Motor im Leerlauf vor sich hin rotieren – und auch über die Angst vor der wiederkehrenden Militarisierung unserer Gesellschaft. Man muss ihren Text nicht als konkreten Kommentar auf die politische Debatte um die Reform der Wehrpflicht lesen. Stattdessen kann man ihr Stück auch als ­ einen Versuch verstehen, Einsamkeit und Verzweiflung in der Kunst aufzuheben. Für einen Abend. Mit Musik. Und ein bisschen Stille.

Von Lukas Nowak

Pressestimmen

"Das ist tieftraurig, und dennoch pointiert und komisch. Ein schöner Nachdenk-Monolog mit einem ziemlich guten Darsteller."RBB Inforadio

"Dieser Abend führt mit beklemmender Klarheit vor, wie dünn die Wand zwischen politischer Realität und dystopischer Zukunft inzwischen geworden ist."Berliner Morgenpost

"Hier wird nicht pathetisch und moralisch der Zeigefinger geschwungen. Vielmehr liegt in diesem Abklopfen der Werte ein Schmerz über die Vereinzelung in der Welt, über den nicht auffindbaren Sinn der Kriege und des Lebens. Es geht um nicht weniger als um den Umgang mit dem Tod – und um die Frage, wofür es sich zu sterben lohnt."RBB 24

"Einen tollen, witzig-bösen, ironisch-zynischen Berg-Text hat Regisseur Dennis Nolden da auf die Bühne gebracht, der die satte Euro-Seele entblättert, die plötzlich in ihrer Ruhe gestört ist. Stark vor allem die Performance Gabriel Schneiders, der den Text-Berg bravourös erklimmt und dafür sorgt, dass Bergs Worte nicht zu Fetzen werden."B.Z.

"Gabriel Schneider wird zum Seismografen einer Gesellschaft, die sich selbst nicht mehr traut. Sein Ingenieur ist Opfer, Mitläufer, Mahner – und ein Spiegel, in den wir gerade ungern sehen. Vielleicht liegt darin die größte Leistung dieses Abends: dass er uns nicht beruhigt, sondern uns mit der Frage entlässt, wie nah wir an dieser Zukunft wirklich schon sind."Berliner Morgenpost