Backstage

"Ich wurde ständig überrascht auf meiner Reise."

Für sein kürzlich erschienenes Buch "In einem Land" trat Autor August Modersohn eine Reise durch Deutschland an. Dabei traf er auf unterschiedlichste Menschen und ihre Perspektiven. Was ihn besonders in Erinnerung bleiben wird, wieso er verschiedene politische Perspektiven versammeln wollte und was ihn bewegt, erfahren Sie im Kurzinterview. 

August Modersohn und Inke Johannsen | 06.10.25
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Für Ihr Buch "In einem neuen Land" haben Sie sich auf eine Reise durch die Bundesrepublik begeben. Was war für Sie der Reiseanlass, gab es einen bestimmten Moment?   

Jeden Herbst, so wie jetzt, wenn es um die deutsche Einheit geht, wird gefragt, ob wir "endlich eins“ sind. Und dann heißt es immer: Wir haben schon viel erreicht, aber es ist noch viel zu tun. Mich langweilt dieses Ritual und ich habe mir gedacht: Wenn die Antworten immer gleich bleiben, vielleicht braucht es dann neue Fragen? Und vielleicht sollte man dabei auch ein bisschen mehr in den Westen schauen? Mein Vorhaben war, nach der Bundestagswahl Anfang 2025, von Nord nach Süd und Ost nach West zu reisen, um zu sehen: Was, bitte, ist das heute für ein Land? Es verschiebt sich gerade einiges, nicht nur bei uns, sondern auf der ganzen Welt. Wir befinden uns in einer ganz entscheidenden historischen Phase, möglicherweise auf einer Rutschbahn in Richtung eines autoritären Zeitalters – und da wollte ich festhalten, wie die Leute in Deutschland auf die Geschehnisse blicken. 



Sie selbst sind im Westen geboren, arbeiten seit einiger Zeit im Leipziger Büro der ZEIT und sind viel im Osten unterwegs. Wie verbinden Sie die Erfahrungen, von denen Ihnen berichtet werden, mit Ihren eigenen Beobachtungen und Perspektiven?   

Das Wichtigste ist, dass man sich seiner eigenen Perspektive, seiner Subjektivität bewusst ist. Und man sollte auch offen dafür sein, sich selbst zu hinterfragen. Mein Anspruch ist es, den Menschen, mit denen ich spreche, gerecht zu werden. Das heißt nicht, dass man nicht kritisch sein sollte. Aber fair muss man sein. Wenn man bereit ist, sich erst einmal alles anzuhören, das dann abzugleichen mit den Erwartungen und Klischees, die man leider doch oft im Kopf hat – dann stellt man oft fest, dass die Realität komplexer ist als vermutet. Ich wurde ständig überrascht auf meiner Reise. Ich konnte vieles gar nicht glauben, was ich so erlebt habe. 



Gab es Momente auf Ihrer Reise, die Sie besonders bewegt haben oder sich nachhaltig festgesetzt haben?

Ganz viele. Zum Beispiel, als mich Gundi und Micha in der Lausitz, die ich für einen Text im Buch besucht habe, kurzerhand in ihr Auto gesetzt haben, um mir ihren Lieblings-Tagebausee zu zeigen. Sie gehen jeden Tag baden und ich musste dann natürlich auch reinspringen. Es war arschkalt, Anfang März. Oder als ich in Pforzheim in Baden-Württemberg erlebt habe, wie stark die AfD inzwischen ins westdeutsche bürgerliche Milieu vorgedrungen ist. Oder als ich Karamba Diaby traf, den langjährigen SPD-Bundestagsabgeordneten aus Halle, der in den Neunzigern von drei Rechtsextremen auf der Straße verprügelt wurde und heute Morddrohungen kriegt. Er sagte, dass die jetzige Stimmung viel gefährlicher sei als früher. Und als er dann meinte, er weigere sich, die Hoffnung zu verlieren – da habe ich mich gefragt, wie er das schafft. Das bewegt mich bis heute, und wird mich auch die nächste Zeit viel beschäftigen.