"Langweilen Sie sich? Haben Sie sie nicht gründlich satt, diese aufregenden Berichte? Diese spannenden Erzählungen von knapp überstandener Todesgefahr, von atemloser Flucht?"
Marseille 1940. Tausende stranden auf der Flucht vor den Nazis in der französischen Hafenstadt. Gefangen in einem aufreibenden Wartezustand und der permanenten Angst vor Razzien geht es weder vor noch zurück. Auf den Konsulaten der Stadt beginnt ein Wettlauf um Papiere: Visa, Transit, Passierschein… nur wenn alles vollständig ist, besteht Hoffnung auf eine Schiffspassage raus aus Europa. In den Wirren der Flucht fallen dem jungen Seidler die Papiere eines Toten in die Hände. Aus Seidler wird Weidel – zumindest auf dem Papier. Als Seidler auf Marie trifft, die zusammen mit einem deutschen Arzt geflüchtet ist, verliebt er sich – ohne zunächst zu ahnen, dass Marie noch immer auf der Suche nach ihrem verschollenen Mann ist. Anna Seghers hat mit dem stark autobiografisch beeinflussten Roman "Transit", der 2018 prominent von Christian Petzold verfilmt wurde, nicht nur eines der wichtigsten Werke der deutschen Exilliteratur geschrieben, sondern auch eine Liebesgeschichte unter liebesfeindlichen Umständen.
Anlässlich des 125. Geburtstags von Anna Seghers eröffnet Marie Schwesinger mit einer Inszenierung von "Transit" die vierte Spielzeit von WORX, dem internationalen Regienachwuchsprogramm. Schwesinger, die Szenische Künste in Hildesheim und Regie in Frankfurt am Main studierte, interessiert an "Transit" u.a. das Motiv des "nützlichen Flüchtlings" und die Kontinuität des abwertenden Sprechens über Geflüchtete, das sich bis in die Debatten um Asyl und Flucht unserer Gegenwart fortsetzt.
Bitte beachten Sie: In dieser Inszenierung kommen Stroboskop-Effekte zum Einsatz.
"Die 'Montreal' soll untergegangen sein zwischen Dakar und Martinique. Auf eine Miene gelaufen. Die Schifffahrtsgesellschaft gibt keine Auskunft." Diese Worte, die der namenlose Erzähler zu Beginn ausspricht, schreibt Anna Seghers, als sie selbst auf offenem Meer an den ersten Entwürfen ihres späteren Romans "Transit" arbeitet; während der mehrmonatigen Überfahrt von Europa nach Mexiko.
Marseille 1940: Auf der Flucht vor den Nazis gelangen tausende Menschen in die südfranzösische Stadt, dem neben Lissabon letzten noch offenen Hafen Europas. Gefangen in einem Wartezustand, einer "tödlichen Langeweile", und der permanenten Angst vor Razzien, geht es für die meisten weder vor noch zurück. Auf den Konsulaten der Stadt beginnt ein Wettlauf um Papiere: Visa, Transit, Passierschein … Nur wenn alles vollständig ist, besteht Hoffnung auf eine Schiffspassage raus aus Europa. In den Wirren der Flucht fallen dem aus einem deutschen KZ geflohenen Ich-Erzähler die Papiere eines Toten in die Hände. Aus Seidler wird Weidel – zumindest auf dem Papier. Als Seidler auf Marie trifft, die zusammen mit einem deutschen Arzt flüchtete, verliebt er sich – ohne zu ahnen, dass Marie noch immer auf der Suche nach ihrem verschollenen Mann ist, einem gewissen Autor namens Weidel ...
Anna Seghers' "Transit" ist eine unwahrscheinliche Geschichte. Voll von zufälligen Begegnungen und ungeplanten Verwicklungen. Doch ist es gerade die Unwahrscheinlichkeit der Ereignisse, die die individuellen Einzelschicksale von Flucht und Vertreibung miteinander verbindet. Anna Seghers' realistische Erzählweise setzt die vielen Mosaiksteinchen und Scherben einer Biografie zu etwas zusammen, was aus der Distanz betrachtet ein Bild ergibt. Vielleicht wird so, zumindest für den Moment des Erzählens, ein gemeinsames Verstehen möglich – und Trost in der zwischenmenschlichen Begegnung.
Von Lukas Nowak
- Paul Zichner Ich / Seidler
- Kathleen Morgeneyer Marie
- Paul Herwig Arzt / Paul Strobel / Mexikanischer Konsul u.a.
- Marie Schwesinger Regie
- Lara Scheuermann Bühne
- Julia Wartemann Kostüme
- Timothy Roth Musik/Sounddesign
- Robert Matysiak, Felix Ruth, Piotr Lemieszczuk Licht
- Lukas Nowak Dramaturgie