"Ein Autor, der unbedingt auch gehört werden sollte"

Zum Auftakt des Kafka-Jahres liest Sven Regener aus seinem dritten, unvollendeten Romanfragment "Amerika". Was Regener, der dazu eine Lesereihe im Berliner Ensemble startet, an Kafkas Texten und dem Autor selbst fasziniert, hat er uns im Gespräch verraten.

von Florian Hofmann | 15.01.24
Ein Portrait von Franz Kafka aus dem Jahr 1923
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Nach den erfolgreichen Lesungen von „Das Schloss“ und „Der Prozess“ lesen Sie bereits das dritte Werk von Franz Kafka im Berliner Ensemble. Was ist das Besondere an Kafkas Texten?

 

Kafka schreibt in einer besonders eigentümlichen, dabei aber auch in einer  besonders schönen und musikalischen Sprache. Das macht sein Werk zum Vorlesen natürlich sehr lohnend. Kafka ist ein Autor, der unbedingt auch gehört werden sollte. Der Klang ist ebenso Träger von Bedeutung wie die Worte in ihrem engeren Sinne. Von der inhaltlichen Seite ist Kafka vielschichtiger, als man oft denkt, weil man in der Schule eigentlich immer nur mit ein, zwei Geschichten von ihm in Berührung kommt und diese oft gleich als exemplarisch für sein ganzes Werk genommen werden. "Amerika" ist als Roman (oder besser: Romanfragment) jedenfalls noch einmal ganz anders als etwa "Der Prozess". Auch "Das Schloss" ist auch noch einmal eine ganz eigene Geschichte. 

 

 

Mit der Lesung von "Amerika" läuten Sie auch am Berliner Ensemble das Kafka-Jahr ein. Worum geht es in diesem Roman und was sind heutige, aktuelle Parallelen?

 

"Amerika" ist sicher ein guter Einstieg in das Werk Kafkas. Man kann das Buch auch einfach nur als Abenteuerroman lesen, in dem zwar sprachlich immer mal wieder die Perspektiven verrutschen, der eine Satz dem anderen widerspricht, Überdeutlichkeit mehr zur Vernebelung als zur Aufklärung beiträgt, aber was soll's. Die Geschichte ist gut und man will wissen, wie es weitergeht und es geht immer weiter, weil Karl Roßmann ein wackerer Held ist, der alles Mögliche tut: bloß nicht lockerlassen. 

Aber dann ist alles doch sehr rätselhaft und verzaubert, findet statt in einer Welt, die wir zugleich verstehen und auch nicht verstehen. Deshalb ist das mit dem Abenteuerroman eben nicht einmal die halbe Miete. Mit Aktualität hat das alles nichts zu tun. Wie jede große Kunst weist auch Kafkas Werk weit über konkretes Zeitgeschehen hinaus. Sie beschäftigt sich mit den grundlegenden Fragen: den Widersprüchlichkeiten und Wundern unserer Existenz, mit dem ewigen Kampf des Einzelnen gegen die ihm umgebende Gesellschaft und der eigenen Ratlosigkeit, mit den Zumutungen der Liebe, der Religion, dem Gesetz, der Einsamkeit, dem Schicksal, solchen Dingen.

 

 

Wer und wie war Franz Kafka als Mensch? Wie blicken Sie auf ihn und sein Werk anlässlich des 100. Todestages in diesem Jahr?

 

Ich bin kein Kafka-Biograf, ich weiß natürlich einiges über ihn, aber es gibt Berufenere was das Biografische angeht. Ich lese ihn nur vor und erfreue mich dabei an seiner Literatur, seinen Geschichten, seinen Protagonisten und seinem Sound. Das geht natürlich immer und in jedem Jahr, egal, wie lange einer tot ist. Aber ich nehme Kafkas 100. Todestag in diesem Jahr gerne zum Anlass, weiter und verstärkt die Trommel für ihn zu rühren!

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