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Kriegsbeute

von Martin Behnke und Burhan Qurbani
Bertolt-Brecht-Platz 1
10117 Berlin
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Es ist was faul in der Villa Berg. Friedrich Bloch, sonst bekannt als knallharter Geschäftsmann und grausamer Kopf eines großen Waffenkonzerns, wird plötzlich von einer zerstörerischen Barmherzigkeit ereilt, die den so solventen Familienkonzern in Schräglage versetzt. Beinahe über Nacht macht er das Charity-Progamm seines Unternehmens zur bestfinanziertesten Sparte des ganzen Konzerns und auch privat lässt sich der Alte nicht lumpen: Die Obdachlosen der Stadt finden fortan in seiner Prunkvilla eine heimelige Schlafstätte, guten Wein und den ein oder anderen Wertgegenstand zum Verhökern. Ist der Alte Fritz dement geworden? Oder handelt es sich um einen Ablasshandel, den er noch schnell, bevor er das zeitliche segnet, mit seinem Schöpfer ersonnen hat? Die spontane Freigiebigkeit des Familienoberhaupts ruft dessen Kinder auf den Plan. Alte Wunden brechen auf, neue werden zugefügt und was in Kindertagen ein „Haus des Friedens“ war, ist schon bald gezeichnet von einem handfesten Familienkrieg.

Im Umfeld der deutschen Waffenindustrie erzählt „Kriegsbeute“ eine bitterböse Familienkomödie über Verdrängung und Lebenslügen, Schuld und Moral und um die Frage nach dem Wert des Menschen innerhalb eines vom wirtschaftlichen Profit bestimmten Systems.

Burhan Qurbani erregte 2014 mit dem Film "Wir sind jung. Wir sind stark." großes Aufsehen. Das Drehbuch für den Film über die rechten Ausschreitungen in Rostock-Lichtenhagen verfasste er gemeinsam mit dem Drehbuchautor Martin Behnke. Seither arbeiten die beiden als Duo. "Kriegsbeute" entsteht im Rahmen des Autoren-Programms für das Berliner Ensemble.

Die Regisseurin Laura Linnenbaum wurde 2015 für ein Projekt über manische Depression mit dem Titel „Silent noise" von der Fachzeitschrift Theater heute als beste Nachwuchsregisseurin nominiert, 2017 folgte eine Nominierung als Regisseurin des Jahres für die Uraufführung von "Homohalal" von Ibrahim Amir. "Kriegsbeute" ist ihre erste Inszenierung am Berliner Ensemble.

 

 

 

Die Familie ist die Keimzelle der Gesellschaft. Diese fast schon zur Plattitüde gewordene Weisheit wird zitiert, wenn es darum geht, das Fundament unseres Zusammenlebens zu beschwören, die Verantwortung von Eltern, die über die Erziehung auch die Werte einer Gesellschaft prägen. Heißt das im Umkehrschluss auch, dass der Zustand einer Familie, ihr Denken und Handeln, Rückschlüsse über den Zustand einer Gesellschaft, eines Staates geben?

Im Zentrum des Stückes Kriegsbeute von Martin Behnke und Burhan Qurbani steht so eine Familie. Ein Vater mit seinen Kindern, die Mutter schon vor Jahren gestorben, die Kinder erwachsen, kämpfen um Liebe und Anerkennung in Rivalität und Abgrenzung. Doch das besondere dieser Uraufführung ist weniger die Familie an sich, als vielmehr ihr Hintergrund. Denn der Reichtum, aus dem sich die Familie nährt, fußt auf einem blutigen Geschäft: Der Herstellung und Vertrieb von Waffen.

Deutsche Waffen verkaufen sich gut und nicht nur die deutsche Bundeswehr stattet ihre Soldaten mit dem Sturmgewehr G36 von Heckler&Koch aus, auch andernorts vertraut man auf „made in Germany“. Natürlich schriebe man die Erfolgsgeschichten deutscher Waffenproduktion lieber mit den Verweisen auf Australien, Amerika, Litauen oder Spanien, wo deutsche Produkte als Standardwaffe von Polizei und Streitkräften angekauft werden. Denn auch wenn ein Großteil der Deutschen Waffen grundsätzlich kritisch gegenüberstehen, dass es ganz ohne nicht geht, da man ohne wehrhafte Polizei und Armee im Zweifels- oder Kriegsfall schlicht unterlegen wäre, findet in breiten Teilen unserer Gesellschaft Zustimmung. Doch die Wahrheit ist, dass der Großteil der deutschen Exportware in weitaus zwielichtigere Hände gerät. Deutschland ist der viertgrößte Rüstungsexporteur der Welt, der Markt ist heiß umkämpft und wer im Rennen bleiben möchte, braucht größere Absatzmärkte. Schwelende Unruheherde oder offene Kriege, konfliktreiche Nachbarschaft oder aufsässige Bevölkerung - der Krieg ist für Waffenfabrikanten ein zu gutes Geschäft, als dass man ihn sich entgehen lassen könnte. Rund 60% aller deutschen Waffenverkäufe gehen an sogenannte Drittländer, Länder also, die weder EU- noch NATO-Bündnispartner sind. Länder wie Algerien, das als Scheindemokratie gilt. Indien und Pakistan, die seit Jahren in kriegerischen Auseinandersetzungen sind, erhalten ebenso Waffenlieferungen wie Saudi-Arabien, die Vereinigten Emirate und Ägypten, die alle am Krieg im Jemen beteiligt sind. Die Liste ließe sich beliebig weiterführen.

Interessante, erschreckende und empörende Fakten zum Thema Waffen spuckt jede Suchmaschine tausendfach aus. Die Details sind bekannt und so geht es dem Autorenteam, das üblicherweise Film- und Seriendrehbücher schreibt und hier zum ersten Mal für das Theater tätig ist, weniger um die dokumentarische oder investigative Aufdeckung schmutziger und illegaler Machenschaften. Das Thema, dass sie interessiert ist das der Verdrängung, der Akzeptanz und der Heuchelei; Positionen also, die auch ein Großteil der deutschen Zivilgesellschaft im Bezug auf den deutschen Waffenhandel einnimmt. Und hier schließt sich der Kreis zur Familie Bloch und der Keimzelle der Gesellschaft. Denn während der Vater sein Geld mit Waffenhandel verdient und die gesamte Familie vom erwirtschafteten Reichtum profitiert, wuchsen die eigenen Kinder abgeschirmt in einem „Haus des Friedens“ auf. Waffen und Kriegsspiele waren verpönt, Johannes, einer der Söhne, hat sich von den familiären Machenschaften sogar soweit abgewendet, dass er Pazifismus propagiert, gar an einem Enthüllungsbuch schreibt um endlich mit dem Schmutz der Familie aufzuräumen. Dass sein Lebensunterhalt trotzdem weiter von Vater finanziert wird, stört ihn dabei ebensowenig wie sich seine Zwillingsbrüder daran reiben, dass das Produkt, dass sie in der Entwicklungssparte des väterlichen Betriebs als Ingenieure mitentwickeln, tötet. Für sie zählt in erster Linie Innovation, Fortschritt und Präzision. Maria, die (einzige?) Tochter, die seit Jahren die Firma als rechte Hand des Vaters co-leitet, hat sich mittlerweile auf den gleichen Grundsatz verlegt, der schon dem Vater Schutz und Schirm war: Einer muss es ja machen. Denn am Ende, das wissen wir ja, wird der Mensch immer Krieg führen, immer Waffen bauen, das liegt ihm nunmal in der Natur. (Dann doch lieber wir und nicht den Ländern Profit und Monopol überlassen, in denen Menschenrechte und Demokratie nur Begriffe im Fremdwörterlexikon sind.) Sie alle stehen in Kriegsbeute vor der Frage, was die Auflösung des Betriebs - die der Vater in die Wege geleitet hat, um kurz vor der Himmelspforte noch die Seele freizukaufen - für finanzielle oder persönliche Konsequenzen für sie hätte. Eine Frage, die am Ende deutlich schwerer wiegt als die wahren Konsequenzen des tödlichen Produkts für das sie (ein)stehen.

Diese fiktive Familie Bloch in ihren unterschiedlichen Positionen und Haltungen, könnte stellvertretend für uns alle stehen. Im Laufe der Jahre haben die Familienmitglieder einen Umgang mit Waffen entwickelt, der dem unserer Zivilgesellschaft ähnelt. Aus der sicheren Position der Kriegsbeobachtenden verurteilt man hierzulande die Waffenexporte oder den Besitz von Kleinwaffen im eigenen Land (auch wenn die Zahlen eine andere Realität erzählen: Über 5 Millionen Waffen sind in Deutschland legal in Umlauf, die Anzahl der Illegalen wird auf 20 Millionen geschätzt, die Nachfrage nach dem „kleinen Waffenschein“ hat in den letzten Jahren drastisch zugenommen). Die eigene Verantwortung, die jeder Bundesbürger trägt (der qua Bruttoinlandsprodukt am Ende ja mitprofitiert. Oder noch direkter: Einer Studie zufolge investieren Fonds Geld von Privatanlegern - direkt oder indirekt - auch bei Rüstungsfirmen), nehmen dabei nur wenige wahr. Dabei sind die Machenschaften der Waffenfabrikanten nur die eine Seite der Medaille. Ohne die Zustimmung der Politik darf in Deutschland keine Waffenlieferung die Staatsgrenze verlassen. Und die Ausfuhr deutscher Rüstungsgüter hat sich in den letzten fünfzehn Jahren fast verzehnfacht - niemals wurden so viele Waffen produziert und niemals wurde die Wahl der belieferten Länder so moralisch dehnbar getroffen, wie heute. Krieg ist das lukrativste Geschäft überhaupt. Für über 1.739 Milliarden Euro wurden 2017 weltweit Militärausgaben getätigt, Tendenz angesichts politischer Spannungen steigend. Ein mächtiger Wirtschaftsfaktor also und Politiker weltweit tun gut daran, ihre größten Absatzmärkte nicht friedlich zur Ruhe kommen zu lassen und die ewigen Angstmuster vom hereinbrechenden Bösen zu schüren, vor dem es sich in letzter Konsequenz nur mit Waffen zu schützen gilt. All das mit überwiegend stillschweigender Zustimmung der Bevölkerung. Vielleicht haben die 68er ja recht gehabt: Die Familie ist die Keimzelle allen Übels.

Pressestimmen

"Das gute ist, es darf zur Komödie werden, und wird dann auch von einem ziemlich guten Ensemble durchgespielt, mit einer Energie und einer hysterischen Qualität des komödiantischen Spiels, so dass es dann am Ende erstaunlicher Weise großen Spaß macht."Deutschlandfunk Kultur

"Die beiden Drehbuchautoren Martin Behnke und Burhan Qurbani, die bereits mit sozialkritischen Filmen auf sich aufmerksam machten, haben sich in ihrem ersten Theaterstück ‚Kriegsbeute‘ an ein brisantes Thema gemacht, das an speziell deutscher Verlogenheit, Geldgier, Macht und Schuld nichts zu wünschen übrig lässt."Berliner Zeitung

"Der Familienwohlstand wie jener der Gesellschaft hat einen Preis, einen, den wir nur zu oft zu zahlen bereit sind. Die Moral landet dann schnell im Ausguss. Das ist absurd, tragisch, gespenstisch und beängstigend. So wie dieser im besten Sinne unentschiedene, Lücken lassende, Brüche betonende Abend. Kein schlechter Auftakt für Oliver Reeses Herzensprojekt."stage and screen

"Kriegsbeute" entstand im Rahmen des Autoren-Programms, ermöglicht durch die

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