Mit ihren legendären Songs und einer unverschämt wie klug auf Sozialkritik umgearbeiteten, im Kern trivialen Geschichte um Liebe, Verrat, Geschäft und Moral wurde die 1928 am Berliner Ensemble uraufgeführte Dreigroschenoper zu einem weltweiten Überraschungshit. "Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral", lauten die berühmten Zeilen – doch wer im Wohlstand lebt, lebt zwar angenehm, ist aber noch lange nicht gut. So haben Mackie Messer, Peachum und Co vor allem ihren eigenen materiellen Vorteil im Blick und betreiben einen erheblichen theatralen Aufwand, um ihn skrupellos durchzusetzen und gleichzeitig genau das zu verschleiern. Denn wer wäre nicht gern gut?
Mit seiner Interpretation hat Barrie Kosky die vierte Neuproduktion inszeniert – am Ort ihrer Uraufführung vor knapp 100 Jahren.
„Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral“, lauten die berühmten Zeilen – doch wer im Wohlstand lebt, lebt zwar angenehm, ist aber noch lange nicht gut. So haben Mackie Messer, Peachum und Co notgedrungen vor allem ihren eigenen materiellen Vorteil im Blick und betreiben einen erheblichen theatralen Aufwand, um ihn ohne Skrupel durchzusetzen und gleichzeitig genau das zu verschleiern oder gar zu beschönigen. Denn wer wäre nicht gern gut?
In Barrie Koskys Lesart wird die Dreigroschenoper zu einer Großstadtballade über Menschen, die in einer funktionalen, nüchternen Welt ihr Glück suchen. Das würde zunächst damit beginnen, dass man nicht ständig befürchten muss, übervorteilt zu werden oder zu kurz zu kommen. Doch eben das ist in der Welt, die Brecht beschreibt, nicht der Fall. Im Gegenteil. Die Angst vor dem Absturz lauert im System, das keine Regeln, sondern nur Gewinner:innen oder Verlierer:innen kennt: Zerrspiegel des totalen Kapitalismus. So sind es bei Brecht nicht menschliche Untugenden, die gesellschaftliche Missstände erzeugen, sondern umgekehrt. Um daraus jedoch entsprechende Schlüsse zu ziehen und an den Verhältnissen grundsätzlich etwas zu ändern, sind die Figuren zu sehr damit beschäftigt, anderen und sich selbst etwas vorzuspielen.
Gespielt wird mit gängigen, bis zum Klischee geronnenen Vorstellungen von der einmaligen Liebe als romantische Zweierbeziehung, mit Ideen von ewiger Freundschaft, von familiärer Fürsorge und von Mitleid als unabdingbare Voraussetzung für den Kampf gegen Unrecht; mit Versatzstücken aus dem Melodram, aus moralischen Rührstücken, aus Groschenromanen, aus dem Singspiel, der Oper, der Operette und vielem mehr. Die Autoren haben sich damit einerseits einen großen theatralen Spaß erlaubt und gleichzeitig erzeugt dieser ganze falsche Schein viel Einsamkeit, in manchen Fällen vielleicht so etwas wie „splendid isolation“, in anderen führt der Weg eher ins Dunkel, in all die gesellschaftlichen Bereiche, die ausgeschlossen werden. Brecht gelingt das Kunststück, über soziale Kälte zu erzählen, ohne die Figuren herzlos erscheinen zu lassen. Ihr Verlangen nach Nähe und Verbindlichkeit bleibt vor allem dadurch präsent, dass es sich nicht erfüllt – und durch die unvergessliche Musik von Kurt Weill.
Barrie Kosky, dem Berliner Publikum als Chefregisseur und Intendant der Komischen Oper bekannt, übernimmt die vierte Neuinszenierung der Dreigroschenoper an diesem Theater. Er hat sich unter anderem auch mit seiner Lust an zeitgenössischer und frecher Unterhaltung einen Namen gemacht. Kosky gehört zu den gefragtesten Opernregisseure der Gegenwart. Engagements führten ihn rund um die Welt. Unter der Intendanz von Oliver Reese inszenierte er auch Schauspiel am Deutschen Theater sowie am Schauspiel Frankfurt.
von Sibylle Baschung
- Nico Holonics Mackie Messer 26.12.2025
- Gabriel Schneider Mackie Messer 23.12.2025, 25.12.2025
- Maeve Metelka Polly Peachum 23.12.2025, 25.12.2025
- Tilo Nest Jonathan J. Peachum 23.12.2025, 25.12.2025, 26.12.2025
- Paul Herwig Jonathan J. Peachum
- Constanze Becker Celia Peachum 23.12.2025, 25.12.2025, 26.12.2025
- Pauline Knof Celia Peachum 26.12.2025, 25.12.2025
- Kathrin Wehlisch Tiger-Brown 23.12.2025, 25.12.2025, 26.12.2025
- Bettina Hoppe Tiger-Brown Spelunken-Jenny 26.12.2025
- Tabitha Frehner Polly Peachum 26.12.2025
- Laura Balzer Lucy Brown 23.12.2025, 25.12.2025, 26.12.2025
- Amelie Willberg Lucy Brown
- Sonja Beißwenger Lucy Brown und Spelunken-Jenny
- Julia Berger Spelunken-Jenny 23.12.2025, 25.12.2025 Bandit/Hure
- Josefin Platt Der Mond über Soho 23.12.2025, 25.12.2025, 26.12.2025
- Joyce Sanhá Der Mond über Soho
- Dennis Jankowiak Der Mond über Soho und Filch/Smith/Bandit und Hure
- Heidrun Schug Mond über Soho (Double)
- Doris Decker Orchester
- Stephan Genze Orchester
- Nathan Plante Orchester
- James Scannell Orchester
- Ralf Templin Orchester
- Otwin Zipp Orchester
- Adam Benzwi Leitung Orchester und Klavier, Harmonium
- Levi Hammer Leitung Orchester und Klavier, Harmonium
- Timo Stacey Filch/Smith/Bandit und Hure
- Julie Wolff Bandit/Hure
- Teresa Scherhag Bandit/Hure
- Katharina Beatrice Hierl Bandit/Hure
- Anne-Catrin Wahls Bandit/Hure
- Nicky Wuchinger Filch/Smith/Bandit und Hure
- Sebastian Stipp Filch/Smith/Bandit und Hure
- Dinah Ehm Kostüme
- Sibylle Baschung Dramaturgie
- Ulrich Eh Licht
- Barrie Kosky Regie
- Adam Benzwi Musikalische Leitung
- Rebecca Ringst Bühne