Arturo Ui

© Barbara Braun

Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui

von Bertolt Brecht
Bertolt-Brecht-Platz 1
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"Die großen politischen Verbrecher müssen durchaus preisgegeben werden, und vorzüglich der Lächerlichkeit. Denn sie sind vor allem keine großen politischen Verbrecher, sondern die Verüber großer politischer Verbrechen, was etwas ganz anderes ist."

Bertolt Brechts Diktum gilt wie kein zweites für seinen Arturo Ui: Die Parabel über den scheinbar unaufhaltsamen Aufstieg des Diktators Ui erzählt von der Dreistigkeit, Skrupellosigkeit und Brutalität eines kriecherischen Aufstrebers und ist gleichzeitig eine nüchterne Analyse derer, die durch ihren Opportunismus diesen Aufstieg ermöglichen. Bertolt Brecht erzählt mit seinem Stück vom Aufstieg des kleinen Gangsters Ui aus Chicago, der sich zum Diktator erhebt. Geschrieben 1941 spielt das Stück im Chicago der 20er Jahre, die Handlung und die Figuren empfand Brecht Al Capones Mafiagesetzen nach.

Die Wirkung der Inszenierung Heiner Müllers war von Anfang an enorm: "Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui" wurde zum Berliner Theatertreffen eingeladen, bekam Preise, bereiste als Gastspiel die ganze Welt – u.a. nach Mailand, Moskau, Avignon, Mulhouse, Istanbul, Lissabon, Buenos Aires, Sao Paulo, Gunajuato, Chambéry, Villeurbanne, Berkeley, Los Angeles, Bombay, Calcutta, Neu Delhi und Caracas und wurde bis heute über 400 Mal gespielt. Heiner Müllers legendäre Inszenierung mit Martin Wuttke wird seit 20 Jahren am Berliner Ensemble gespielt – thematisch ist sie heute aktueller denn je.

Man hört heute ganz allgemein, es sei unstatthaft und aussichtslos, die großen politischen Verbrecher, lebendig oder tot, der Lächerlichkeit preisgeben zu wollen. Selbst das gemeine Volk, hört man, sei da empfindlich, nicht nur weil es in die Verbrechen verwickelt wurde, sondern weil die Übriggebliebenen in den Ruinen nicht über derlei lachen könnten. Auch solle man nicht offene Türen einrennen, da es deren in Ruinen zu viele gäbe; die Lektion sei gelernt worden, wozu sie jetzt den Unglücklichen noch einreiben? Sei aber die Lektion nicht gelernt, sei es gefährlich, ein Volk zum Gelächter über einen Machthaber aufzufordern, das es ihm gegenüber sozusagen hat an Ernst fehlen lassen, usw. usw. Es ist verhältnismäßig leicht, mit der Aufforderung fertig zu werden, die Kunst müsse mit der Brutalität behutsam umgehen, das schwächliche Pflänzchen der Erkenntnis liebevoll begießen, denen, die gezeigt haben, was eine Harke ist, nunmehr zu zeigen, was eine Gießkanne, usw. Man kann auch gegen einen Begriff "Volk" angehen, der etwas "Höheres" meint als die Bevölkerung, und zeigen, wie da die berüchtigte "Volksgemeinschaft" der Henker und Opfer, der Unternehmer und Unternommenen, in den Köpfen spukt. Aber die Aufforderung an die Satire, sich hier nicht einzumengen, wo es sich um ernste Dinge handelt, ist damit noch nicht als unsittlich abgelehnt. Sie interessiert sich gerade für ernste Dinge. Die großen politischen Verbrecher müssen durchaus preisgegeben werden, und vorzüglich der Lächerlichkeit. Denn sie sind vor allem keine großen politischen Verbrecher, sondern die Verüber großer politischer Verbrechen, was etwas ganz anderes ist. Keine Angst vor der platten Wahrheit, wenn sie nur wahr ist! So wenig das Mißlingen seiner Unternehmungen Hitler zu einem Dummkopf stempelt, so wenig stempelt ihn der Umfang dieser Unternehmungen zu einem großen Mann. Die herrschenden Klassen im modernen Staat bedienen sich bei ihren Unternehmungen meistens recht durchschnittlicher Leute. Nicht einmal auf dem höchst wichtigen Gebiet der ökonomischen Ausbeutung ist besondere Begabung vonnöten. Der Milliardentrust der IG-Farben verwendet überdurchschnittliche Intelligenz nur, indem er sie ausbeutet; die Ausbeuter selber, eine Handvoll Leute, die meistens durch Geburt zu ihrer Macht kamen, bringen kollektiv etwas Schlauheit und Brutalität auf, werden aber durch die Unbildung, und würden selbst durch etwaige Gutmütigkeit einzelner unter ihnen, nicht geschäftlich geschädigt. Die politischen Geschäfte lassen sie durch Leute besorgen, die oft noch erheblich dümmer als sie selber sind. Hitler konnte da dem Brüning, dieser dem Stresemann wohl das faule Wasser reichen, und auf militärischem Gebiet war wohl der Lakeitel dem Hindenburg ebenbürtig. Einen militärischen Spezialisten wie Ludendorff, der Schlachten wegen seiner politischen Unreife verlor, darf man sich ebensowenig als intellektuellen Giganten vorstellen wie einen Schnellrechner im Varieté. Solche Leute erwecken den Anschein von Größe durch den Umfang der Unternehmungen. Dabei müssen sie gerade durch diesen Umfang nicht besonders tüchtig sein, denn er bedeutet doch nur, daß eben ein riesiger Haufe von intelligenten Leuten aufgeboten wurde, so daß die Krisen und Kriege zu Ausstellungen der Intelligenz der Gesamtbevölkerung werden. Dazu kommt, daß das Verbrechen selbst häufig Bewunderung auslöst. Die Kleinbürger meiner Heimatstadt hörte ich nie anders als mit Andacht und Begeisterung von einem Massenmörder namens Kneisel sprechen, sodaß ich seinen Namen bis auf den heutigen Tag behalten habe. Es wurde nicht einmal für nötig gehalten, ihm die bekannten Freundlichkeiten zu armen, alten Mütterchen anzudichten; seine Morde genügten. Die Geschichtsauffassung der Kleinbürger (und der Proleten, solange sie keine andere haben) ist größtenteils romantisch. Der erste Napoleon beschäftigte die arme Phantasie dieser Deutschen natürlich nicht durch den Code Napoleon, sondern durch Millionen seiner Opfer. Die Blutflecken stehen diesen Eroberern gut zu Gesicht, wie Schönheitsflecken. Wenn in der mit Recht „Deutschen Rundschau“ genannten Zeitschrift ein gewisser Doktor Pechel im Jahre 1946 über den Dschingis-Khan schrieb, "Der Preis für die Pax Mongolica waren 20 zerstörte Reiche und der Tod von vielen Dutzenden Millionen Menschen", so wird der „blutbefleckte Eroberer, der Zerstörer aller Werte, über dem man den Herrscher nicht vergessen darf, der bewies, daß er kein destruktiver Kopf war“, schon dadurch groß, weil er im Umgang mit Menschen nicht kleinlich war. Dieser Respekt vor den Tötern muß zerstört werden. Die Alltagslogik darf sich nicht einschüchtern lassen, wenn sie sich in die Jahrhunderte begibt, was uns für die kleinen Verhältnisse gilt, dem müssen wir auch in den großen Geltung verschaffen. Der Lump im kleinen darf nicht, wenn ihm die Herrschenden gestatten, ein Lump im großen zu werden, eine Sonderstellung nicht nur in der Lumperei, sondern auch in unserer Geschichtsbetrachtung einnehmen. Und im allgemeinen gilt wohl der Satz, daß die Tragödie die Leiden der Menschen häufiger auf die leichte Achsel nimmt als die Komödie. 

von Bertolt Brecht

Pressestimmen

"Wuttkes Darstellung des Arturo Ui im Berliner Ensemble ist ein Ausrufezeichen der Theatergeschichte. Diesen Ui macht ihm keiner nach."Berliner Zeitung

"Mit jeder Faser, mit Mimik, Gestik, Intonation und Körpersprache macht Wuttke den Wahnsinn des Arturo Ui spürbar."Berliner Morgenpost

"Ihre eigentliche Größe findet die Aufführung in ihrem darstellerischen Zentrum, dem Arturo Ui des Martin Wuttke, der in die beredteste Körpersprache übersetzt, wie der Mann unter irrsinnigen Anstrengungen seinen Weg nach ober über Leichen geht."Tagesspiegel

"Grandioser kann Theater nicht mehr irritieren."Der Standard

"Ovationen für das Berliner Ensemble. Für Martin Wuttke, den faszinierenden Hauptdarsteller. Und für Heiner Müller, den überragenden Regisseur."Neues Deutschland